Auch Bienen können sich mit Viren infizieren und daran erkranken. Werden zu viele Bienen eines Volkes durch ein Virus geschädigt, kann das Volk stark geschwächt werden oder sogar absterben. Aber nicht immer bedeutet das Vorhandensein von Viren auch eine Erkrankung des Volkes. Um Bienenviren effektiv zu bekämpfen müssen wir die Unterschiede zwischen einem erkrankten Volk und einem nicht erkrankten Volk erkennen können. Dies ist eine der Fragestellungen, die wir im Projekt „Zukunft Biene 2“ behandeln.
Im Virusmonitoring des Projekts „Zukunft Biene 2“ untersuchen wir gemeinsam mit etwa 200 Imkerinnen und Imkern die Verbreitung von Bienenviren in Österreich. TeilnehmerInnen des Virenmonitorings senden uns jährlich Bienenproben, die auf Viren untersucht werden. Zusätzlich versorgen sie uns mit wertvollen Informationen über den Gesundheitszustand der beprobten Völker. Denn ein alleiniger Nachweis des Virus bedeutet nicht, dass ein Volk auch wirklich erkrankt ist. Erst wenn auch Virussymptome auftreten, ist das Volk auch wirklich als akut erkrankt anzusehen (Details hierzu hier).
DWV – ein häufiges und gefährliches Virus für Bienen
Wir wollen diesen Zusammenhang am Beispiel des Flügelverkrüppelungsvirus (= DWV) demonstrieren. Erkrankt eine Bienenlarve an einer DWV-Infektion, wird ihre Entwicklung gestört und sie schlüpft als geschädigte erwachsene Biene. Bei einem schweren Krankheitsverlauf sind die Flügel stark verkrüppelt und die Biene ist nicht lange lebensfähig (siehe Foto). Dieses Symptom ist ja auch namensgebend für dieses Virus. Bei DWV werden verschiedene Typen unterschieden. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit DWV Typ B, abgekürzt DWV-B.
Bei den Untersuchungen im September 2018 kam DWV-B auf 91% aller untersuchten Bienenständen vor (193 Bienenstände in ganz Österreich). Daher können wir sagen, dass DWV-B auf fast jedem österreichischen Bienenstand anzutreffen war (Prävalenz: 91%, 95% Konfidenzintervall: 87-95%, hier erklärt). Aber nun ist die Frage: waren auch wirklich Völker auf allen Bienenständen mit positivem DWV-Nachweis erkrankt? Ein solches Ergebnis wäre sehr bedenklich, da eine DWV-Erkrankung im Herbst häufig zu einem Absterben im Winter führt. Wären 91% aller Bienenstände in Österreich gefährdet, hohe Völkerverluste zu haben, dann wäre dies sowohl für die Imkerei als auch für die Bestäubungssicherheit sehr gefährlich. Diese Überlegung ist zum Glück rein hypothetisch, da wir wissen, dass die Winterverluste im auf die Untersuchung folgenden Winter 2018/19 bei 15,2% lagen (Details dazu hier).
Fehlende Symptome zeigen: wenige Völker sind akut erkrankt
Doch was sagen nun die Beobachtungen der teilnehmenden Imkerinnen und Imker? Diese haben alle bienenbesetzten Waben der Probenvölker sorgfältig auf Symptome für Viruserkrankungen durchgesehen. 186 der TeilnehmerInnen haben dabei Angaben zu Vorkommen des Symptoms „Bienen mit verkrüppelten Flügeln“ gemacht. Davon haben 10,2% der ImkerInnen das Symptom „Bienen mit verkrüppelten Flügeln“ in mindestens einem der Völker gesehen. Die restlichen 89,8% der ImkerInnen haben das Symptom nicht gesehen (siehe Abbildung unten links).
Wir vergleichen nun die Angaben der ImkerInnen mit der Viruskonzentration in den Proben, die positiv auf DWV-B getestet wurden. Und wirklich: in den Proben der Völker, in denen auch Symptome gesehen wurden, war die Viruskonzentration etwa 25x höher als in den Proben der Völker, in denen keine Symptome gesehen wurden (siehe Abbildung unten rechts):
- Bei Erkrankungssymptomen betrug die Viruskonzentration etwa 1 Milliarde RNA-Kopien/ml Homogenat im Median.
- Ohne Erkrankungssymptome betrug die Viruskonzentration etwa 40 Millionen RNA-Kopien/ml Homogenat im Median.
Dieser Unterschied war auch statistisch signifikant (Kruskal-Wallis-Test: W=2117; P<0,001). Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit äußerst gering ist, dass der beobachtete Unterschied aus reinem Zufall entstanden ist.
Abbildung: A Anzahl der Beobachtungen von Bienen mit verkrüppelten Flügeln (insgesamt 186 Beobachtungen). B Virustiter (=Viruskonzentration) der positiven Proben mit und ohne beobachteten Symptomen. Statistik: Kruskal-Wallis-Test. Darstellung als Boxplot Diagramm: dicker Mittelstrich: Median; untere/obere Grenze der Box: unteres/oberes Quartil; Antennen: maximal 1,5-facher Interquartilsabstand.
Wir sehen daher, dass es zwei Gruppen von Bienenständen in unserer Stichprobe gibt. 10% der Bienenstände haben Völker mit einer sehr hohen DWV-Konzentration und auch gut sichtbare Symptome für die Erkrankung. Diese Völker zeigen also eine akute DWV-Erkrankung. Auf den restlichen 90% der Bienenstände ist zwar DWV nachweisbar, doch in geringen Konzentrationen. Gleichzeitig sind auf diesen Bienenständen keine erkrankten Bienen zu sehen. In diesen Völkern liegt somit keine akute Erkrankung vor. Ein Krankheitsausbruch ist jedoch möglich, wenn das Volk durch andere Faktoren gestresst ist.
Symptome sind eine wichtige Hilfe für ImkerInnen
Diese Daten zeigen, wie wichtig es für ImkerInnen ist, ihre Völker gut zu beobachten, Krankheitssymptome zu erkennen und auf sie zu reagieren. Im Fall von DWV wissen wir, dass das Virus von der Varroamilbe auf die Bienenlarve übertragen wird. Dies geschieht ähnlich wie wir es bei Zecken kennen: nicht nur der Biss des Parasiten ist gefährlich, sondern auch die Krankheitserreger, die durch dessen Speichel in unseren Köper kommen. Daher kann ein Imker eine DWV-Infektion ideal bekämpfen, indem er das Volk gegen die Varroamilbe behandelt. Dadurch wird der Übertragungsweg unterbrochen und das Volk hat eine Chance sich wieder zu erholen.
Die Daten widerlegen auch unsere hypothetische Überlegung, dass Völker auf 90% aller Bienenstände in Österreich im Winter 2018/19 vom Absterben bedroht waren. In den meisten Völkern war zwar eine kleine Menge an DWV-Viren zu finden. Doch es kam nicht zu einer akuten Erkrankung der Völker. Damit hatte die Mehrzahl der Bienenvölker gesunde Winterbienen. Diese waren in der Lage, die Königin gut über den Winter zu bringen und dem Volk im nächsten Frühjahr einen guten Start in das neue Bienenjahr zu ermöglichen.
Detaillierte Informationen zu den anderen Symptomen und Bienenviren finden Sie im Zwischenbericht 2019 von „Zukunft Biene 2“ (hier herunterzuladen).